Woran erkenne schlechten Kaffee?
Was provokant klingt, meint Dr. Steffen Schwarz auch Der international anerkannte Experte für guten Kaffee • schreibt in der ersten Folge seiner Kolumne in der KOCA über nasses Pavianfell, Ignoranten – und vor allem darüber wie guter Kaffee geht.
Schlechter Kaffee ist weit verbreitet, viel weiter verbreitet als man denkt – so weit verbreitet, dass man ihn inzwischen für den echten Kaffee hält. Sein Aromenspektrum reicht von alten, ausgebremsten Gummireifen, Asphalt im Sommer an einer Mittelmeerstraße, ranzigen Noten, modrigen Holztönen, verdörrtem Fisch bis zu nassem Pavianfell. Alles in allem eigentlich keine Geschmacksrichtungen, die ein Verbraucher bewusst auswählen würde. Nur werden diese Aromen und das gesamte Flavourprofil der einzelnen Kaffees glück-licherweise nicht ausgelobt. So beschränkt man sich bei den meisten Herstellern auf Aussagen, wie „vollmundigrassig“, „temperamentvoll“ oder „kräftig“. Alles in allem keine Aromen, keine Geschmacksaussagen und nur einmal ein kleiner Hinweis auf das Mundgefühl (die Haptik). Besser so, denn so muss wenigstens nicht gelogen werden. Wie aber ist es möglich, dass sich schlechter Kaffee weltweit stark durchgesetzt hat?
HALBFERTIGES LEBENSMITTEL
Hauptgrund ist die Tatsache, dass es sich bei Kaffee um ein halbfertiges Lebensmittel handelt, genauer gesagt ein Getränk, das noch fertig zubereitet werden muss. Anders als bei Wein oder Bier, muss nicht nur die Flasche geöffnet und mit der richtigen Temperatur das Glas befüllt werden, sondern der Barista sollte die korrekte Mahlung, Dosierung des Kaffeemehls, Brühwassermenge, Brühtemperatur und weitere Faktoren korrekt einhalten, um zu einem guten Ergebnis zu kommen. Beim Espresso kommt noch der Anpressdruck des Kaffeemehls im Siebträger als wesentlicher Einflussfaktor hinzu. Dass die Kaffeezubereitung selten von gut geschultem Personal durchgeführt wird, steigert das Fehlerpotenzial nochmals erheblich.
BELEG FÜR UNKENNTNIS
Die Möglichkeiten einer fehlerhaften Zubereitung sind daher groß und werden reichlich ausgeschöpft. Zunächst wird in den meisten Fällen deutlich zu wenig Kaffeemehl dosiert, um an Wareneinsatz zu sparen (rund 80 g Kaffee auf einen Liter sind richtig). Dabei ist der Kostenanteil des Kaffees gemessen an Personalkosten, Energiekosten, Kosten für Abschreibung der Geräte und Einrichtung, Raumkosten etc. der geringste Anteil. Wer hier spart, dokumentiert eindeutig seine betriebswirtschaftliche Unkenntnis. Denn das beste Geschäft mit Kaffee sind die zweite und dritte Tasse. Wenn der Gast den Geldbeutel zücken soll, muss die Qualität stimmen oder der Preis so tief sein, dass der Geschmack hinter den belebenden Effekt des Koffeingetränkes tritt. Ist es jedoch umgekehrt und der Kaffee besitzt eine überdurchschnittliche Qualität, zahlt der Kunde gerne einen höheren Preis für sein Getränk.
Quelle: KOCA 04-2018, https://www.kocaonline.de/